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Abenteuer in der Stadt der Türme – Waidhofen an der Ybbs

  • Autorenbild: jasminatomc
    jasminatomc
  • 10. Sept. 2020
  • 16 Min. Lesezeit

Das Mostviertel – ein grüner Himmel auf Erden, der dich warm und herzlich in die Arme schließt und dich nie mehr loslässt. Das ist meine Erfahrung mit der traumhaft fruchtbaren Landschaft im Süden Niederösterreichs.

An einem wunderschönen Tag, an dem die Sonnenstrahlen die süß nach Frühlingblüten duftende Luft über der saftig grünen Hügellandschaft erhitzte, als ich schon von zahlreichen Aussichtspunkten und einem beeindruckenden Tierpark leicht müde war, war mir nach etwas Abwechslung zu Mute, also entschloss ich mich, eine Stadtbesichtigung zu unternehmen. Ich schaute meine Liste durch… und da – ein kleines Städtchen am Flussufer klang wie eine verführerische Abkühlung an dem schwülen Maitag. Also fuhr ich nichts ahnend, ohne jegliche Erwartung, was ich entdecken könnte, von der Autobahnausfahrt bei Amstetten in den Süden. Faul und meist gerade führte die Straße am Fluss Ybbs entlang und ich genoss das saftige Grün der Wiesen an beiden Seiten der Straße.

Die Gebäude häuften sich und auf einmal, ohne Vorwarnung, öffnete sich der Blick in die Ferne. Wie vom Blitz getroffen schoss mein Puls in die Höhe, mit weit offenem Mund umklammerte ich das Lenkrad, als sich hohe, fast kitschig romantische Türmchen vor mir in den Himmel hoben. Ich hätte von den Beschreibungen im Internet Einiges von der Stadt erwarten können, aber die eigentliche Pracht und Schönheit hatten mich dennoch unerwartet überwältigt. Trotz eines Diploms in Sprachwissenschaften kann ich mir nicht genügend verfügbaren Wortschatz vorstellen, der den Zauber des Städtchens richtig in Worte fassen könnte.

Eingebettet ins Tal des Flusses Ybbs, auf allen Seiten von sanften Hügeln des Mostviertels umgeben, liegt Waidhofen an der Ybbs mit seiner historischen Innenstadt, darunter einem traumhaften Schloss, Kirchen und farbprächtigen Bürgerhäusern. Aus der Silhouette der roten und braunen Dächer steigen zahlreiche Türme und Türmchen empor.



Die Gipfel der umliegenden Hügel blicken in die Berge im Süden und zur Donau im Norden und dazwischen schläft im blauen Nebel eine romantische Landschaft, geprägt von grünen Wiesen, Obstbäumen und Wäldern. Sie sind von einem feinen Netz an Wegen und schmalen, kurvigen Straßen überzogen, die atemberaubende Fernblicke bieten und einen echten Augenschmaus für Genießer, Radfahrer, Wanderer, Fotofreaks, Geschichte-Fans und Entdecker darstellen.


Waidhofen an der Ybbs liegt in den niederösterreichischen Eisenwurzen im südwestlichen Mostviertel und wächst aus der Tradition von Most und Eisen in die Zukunft. Die Geschichte der Stadt wurde geprägt von ihrer jahrhundertelangen Stellung als Zentrum der Eisenverarbeitung und ist erfüllt von den Geschichten der Bürger, Bauern, Schmiede und Hammerherren. Der Fluss Ybbs durchschneidet die Stadt canyonartig. Seit jeher diente die Ybbs als Transportweg, Energielieferant und Grenze zwischen verschiedenen Herrschaftsbereichen.


Nicht nur das Eisen prägte die Geschichte der Stadt wesentlich, der Felssporn über den Flüssen erwies sich schon im Mittelalter als der ideale Standort für eine Burganlage, die die Entwicklung der Region stark beeinflusste und heute noch das Stadtbild dominiert. Die erste Erwähnung des Marktes war Ende des 12. Jahrhunderts, danach erfolgten die Befestigung und Ausbau der Stadt. In der Zeit begann auch der Eisenerzabbau, der Waidhofen zu einem der wichtigsten Zentren der Eisenverarbeitung in Österreich machte. Weder die Ungarn noch die Türken haben es geschafft, die Stadt einzunehmen, doch eine Katastrophe kam von der Seite der Reformation. Sie verursachte die Schwächung der Wirtschaft und eine stark prägende Auswanderung. Im 17. Jahrhundert kam wieder der Aufschwung der Eisenindustrie und die allgemeine Entwicklung führte unter anderem zur Barockisierung zahlreicher Kirchen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Waidhofen habsburgisch und die Industrialisierung entwickelte sich zu Gunsten der Großbetriebe. Stattdessen setzte sich die Familie Rothschild vermehrt für die Promotion des Tourismus in der Region ein. Trotzdem wurde Waidhofen noch vor dem Zweiten Weltkrieg zum Zentrum des Antisemitismus, wo in Verbänden rassistische Programme durchgesetzt wurden. In den letzten Jahrzehnten gewann die Region wieder als ein Schulzentrum und eine beliebte touristische Sommeroase an Bedeutung.


Falls du eine ausführlichere Beschreibung der geschichtlichen Entwicklung der Stadt lesen möchtest, befindet sich am Ende des Artikels eine längere Chronologie.


Besonders spannend finde ich das Wappen der Stadt Waidhofen an der Ybbs. Es zeigt im blauen Feld über einem grünen Berg eine silberne Stadtmauer mit offenem Tor. Hinten stehen zwei Stadttürme mit roten Dächern und dazwischen ist ein Mohrenkopf mit einer goldenen Krone. Dieser Freisinger Mohr weist auf die jahrhundertelange Verbindung der Stadt Waidhofen mit der Herrschaft des Freisinger Bistums auf.



Architektonisch prägen vier Kirch- und drei Stadttürme das Stadtbild. Rundherum ziehen sich sanfte Linien der grünen Hügel; auf einem davon hebt sich die berühmte Wallfahrtsbasilika Sonntagberg in den Himmel. Die Wohnhäuser des Innenstadtbereiches sind im Kern großteils spätmittelalterlich. In vielen Häusern sind noch gotische Innenhöfe mit Arkadengängen vorhanden. Die Fassaden wurden allerdings meist ab Beginn des 19. Jahrhunderts geschaffen und gehören hauptsächlich dem Stil des Biedermeier, der Neorenaissance und des Neobarocks an. Von den mittelalterlichen Wehranlagen sind nur noch Reste erhalten, zum Beispiel die Mauern um die Stadtpfarrkirche mit dem Turm des ehemaligen Zeughauses.


Liebe/r LeserIn, ich möchte dich jetzt zu einer Stadtbesichtigung entführen. In dem kleinen Städtchen gibt es unglaubliche Schätze zu entdecken.


Ich habe einen Parkplatz direkt am Hauptplatz gefunden und so war ich schon beim Aussteigen von hohen, bunten Fassaden der Bürgerhäuser umgeben. Die bezaubernde Farbenpracht, schmale Nebengassen und romantische Arkadengänge zogen mich mit Staunen in ihren Bann. Ich ging zuerst auf den Stadtbrunnen zu, der mitten auf einem breiten Platz des Freisingerbergs steht. Mitten im polygonalen Becken steht ein Knabe aus Bronze.

Die bunten Bürgerhäuser und der Brunnen in Waidhofen an der Ybbs


Hier eröffnet sich der Blick die Straße hinauf und ich bin mit offenem Mund wie angewurzelt stehen geblieben. Am oberen Ende der Straße hebt sich das Wahrzeichen der Stadt, der mächtige, quadratische Stadtturm in den Himmel. Er wurde im 13. Jahrhundert erbaut und mit der Beute aus der Vertreibung der türkischen Streifscharen im 16. Jahrhundert auf 50-m aufgestockt. Eine der vier Uhren zeigt immer dreiviertel zwölf, um die Stunde des legendären Sieges zu verkünden. Der Turm beherbergt in seinem Inneren eine Ausstellung über den Lebensalltag der „einfachen Leute“. Leider hat der Turm sehr begrenzte Öffnungszeiten und auch bei meinem Besuch war er leider geschlossen.


Stadtturm


Ich widerstand der Versuchung, ins Café in einem der Bürgerhäuser einzukehren, aus dem es köstlich nach zuckersüßen Mehlspeisen und frisch gemahlenen Kaffee duftete. Stattdessen bog ich beim Turm links ab und bewunderte fast atemlos den prächtigen Bau, der aus jedem Winkel der Stadt über den Dächern hinausschaut. Die lange Straße mit weiteren farbigen Häusern zieht sich am Turm vorbei. Direkt an den Stadtturm kuschelt sich die graue Fassade des Rathauses. In der Mitte der Straße wurde an der Stelle des Prangers im Zuge der Gegenreformation die barocke Mariensäule errichtet. Die goldene Maria glänzt schon von weitem in der hellen Nachmittagssonne.


Der Stadtturm mit der Mariensäule


Wir gehen jetzt weiter bis wir das Ende der Straße erreichen und schon stehen wir vor der Stadtpfarrkirche, die sich ziemlich nah an den Höhepunkt des Stadtrundgangs kuschelt, ans Schloss Rothschild mit seinem Museum. Aber eins nach dem anderen, zuerst ist die Kirche dran. Die spätgotische dreischiffige Hallenkirche wurde Anfang des 16. Jahrhunderts an Stelle einer romanischen Vorgängerkirche erbaut und ist den heiligen Maria Magdalena und Lambert geweiht. Die Gotik teilt sich den Platz im Kircheninneren mit dem Barock und der Neugotik. Seitlich angebaut ist die reich geschmückte barocke Marienkapelle. Das bedeutendste Stück der Innenausstattung ist der markante spätgotische Flügelaltar. Das Kirchentor stammt zur Gänze aus der Erbauungszeit. Der Kirchturm ist im Kern romanisch, wurde aber im 17. Jahrhundert barockisiert.

Die Stadtpfarrkirche


Nicht in der Kirche, sondern gut gesichert im Pfarrhof ist das wertvollste Kunstwerk Waidhofens untergebracht: Die gotische Messerermonstranz, die im 15. Jahrhundert in Freising geschaffen wurde und der Pfarre von der wohlhabenden Zunft der Messerer geschenkt wurde. Zu sehen ist sie gewöhnlich nur bei der Fronleichnamsprozession, wo das mehr als 1 Meter hohe und 6-kg schwere Stück feierlich durch die Stadt getragen wird.


Neben der Kirche führt ein schmaler Weg an einigen grünen Bäumen vorbei und schon steht man beim Eingang ins Rothschildschloss, das heute das 5-Elemente-Museum beherbergt. Ich möchte mich in diesem Artikel zuerst dem Schloss selbst und seinen Gründern, der Familie Rothschild, widmen und erst später näher auf die Beschreibung des Museums und seiner Ausstellungen eingehen.

Das Schloss Rothschild und die Familie Rothschild


Der Felssporn, wo Ybbs und Schwarzbach zusammenfließen, hatte sich schon im Mittelalter als der ideale Standort für eine Burganlage erwiesen. Die erste Burg an dieser Stelle stammt aus dem 12. Jahrhundert und diente als Sitz der freisingischen Pfleger. Bischof Berthold von Wehingen ließ die Stadt um 1400 mit einer Wehrmauer umgeben und die kleine Burganlage wurde zu einem großen und repräsentativen Gebäude mit 40 m Länge und ybbsseitig vier Stockwerken ausgebaut. Die Freskenreste der ehemaligen Burgkapelle sind noch im Erdgeschoss des Schlosses erkennbar. Im gleichen Zeitraum wurde auch der Bergfried errichtet. 1803 verlor das Hochstift Freising endgültig die Besitzungen im Ybbstal, die nun an die habsburgische Staatsherrschaft übergingen. Nach der Auflösung der Grundherrschaft verfiel das Schloss zunehmend, wie der Absturz der Burgkapelle in die Ybbs in jener Zeit belegt.


Als Albert von Rothschild das Schloss Ende des 19. Jahrhunderts erwarb, ließ er eine neugotische Umgestaltung ausführen, allerdings unter weitgehendem Verlust an mittelalterlicher Bausubstanz. Die Arbeiten konzentrierten sich auf den Ausbau des Innenhofes mit einem Arkadengang, bis der Umbau des Schlosses durch den Bau der neuen Schlossbrücke beendet wurde. Als Louis Rothschild das Schloss übernahm, diente es nicht nur als elegante Wohnresidenz der Familie bei ihren Besuchen in Waidhofen, sondern auch als Zentrale der Forstverwaltung. Der Schlosspark wurde umgestaltet, die Schwarzbachfront mit einem E-Werk zur Versorgung des Schlosses aufgerüstet und ybbsseitig ein Spazierweg angelegt, der heute als Bestandteil des Schlossparks wieder begehbar ist.


Nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich hatte es dessen Führungsspitze sehr eilig, Zugriff auf das Vermögen der jüdischen Bevölkerung zu erhalten. Besonders die Familie Rothschild und das Schloss in Waidhofen mit seinen Kunstschätzen waren unter den ersten Opfern. Nur wenige Tage vor Kriegsende rückten amerikanische Truppen aus Steyr vor, ohne auf Widerstand zu stoßen. Die einrückenden Sowjets konnten Waidhofen und auch das Schloss in Besitz nehmen. Als Ende der 40er Jahre die Rothschilds ihre Besitzungen zurückbekamen, überließ Louis, der inzwischen in die USA ausgewandert war, das Schloss als Sitz der Forstverwaltung dem österreichischen Staat. Danach war darin eine Forstfachschule untergebracht, bis es schließlich 2003 von der Stadt Waidhofen erworben wurde.


Eine Umgestaltung nahm 2007 der Architekt Hans Hollein vor und verwendete moderne Materialien, mit Rücksichtnahme auf die mittelalterlichen Baustrukturen. Der Schlossturm aus dem 14. Jahrhundert wurde um einen Glaskubus erweitert. Im Inneren bildet der spektakuläre Kristallsaal das Zentrum des Schlosses, das als lebendiges Veranstaltungszentrum der Mittelpunkt des Waidhofner Kulturlebens ist. Die architektonischen Veränderungen am Schloss spiegeln die gesellschaftlichen Ereignisse der Vergangenheit wider und daher ist es bis heute Symbol für die Entwicklung der Stadt und ihrer Geschichte.

Das Schloss Rothschild


Wie man sehen kann, hatte die Familie Rothschild einen wesentlichen Einfluss auf die Geschichte und die Entwicklung der Stadt und der Region im Mostviertel. Über mehrere Generationen hatten sich die Rothschilds an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in der Finanzwelt Europas einen Namen gemacht und an Einfluss gewonnen. Durch geschickte Bankgeschäfte hatte die Familie Reichtum und Ansehen erworben. Sie errichteten Büros in allen bedeutenden Finanzzentren Europas und nutzten starke Familienbände, um Einfluss auf die Börse und schließlich auf die Regierungspolitik ihrer Länder zu gewinnen. Österreich war mit seinem traditionellen Antisemitismus kein guter Boden für Juden, doch Salomon Rothschild konnte sich als geborener Diplomat unaufdringlich aber konsequent in der Hauptstadt der Habsburgermonarchie sowohl finanziell als auch gesellschaftlich etablieren. Er durfte Grundbesitz erwerben, was ihn bald zu einem der größten Grundbesitzer Österreichs machte. Mit dem Kauf der Domänen Waidhofen und Gaming wurden die Rothschilds schließlich die größten Grundbesitzer in Niederösterreich. Salomons Sohn Anselm konnte mit Investitionen ins aufkommende Eisenbahngeschäft den Einfluss seiner Familie noch festigen.


Als Bankier nahm Albert Rothschild entscheidenden Einfluss auf Regierung und Industrie in Österreich. In Waidhofen hinterließ sein Wirken ein umgestaltetes Schloss und viele technische Neuerungen. Gemeinsam mit dem liberalen Bürgermeister Theodor Freiherr von Plenker förderte er durch großzügige finanzielle Unterstützung die Infrastrukturprojekte. Eisenbahn, E-Werk und Schulen.


Sein Sohn Louis von Rothschild übernahm nach dem Tod seines Vaters das Wiener Familienimperium, während sein Bruder Alphonse der Besitzer einer großartigen Kunstsammlung wurde. Zu Louis Erbe gehörte auch die Waidhofner Domäne mit dem Schloss in Waidhofen. Der Zerfall der Habsburgermonarchie 1918 bewirkte eine Minderung des Firmenvermögens und schon bald darauf zeigten sich am Horizont auch die Bedrohungen der NS- Herrschaft. Bereits 1938 wurde Louis Rothschild von der Gestapo verhaftet und verhört. Er ging anschließend nach Amerika, kehrte aber 1946 nach Österreich zurück und vermachte seinen gesamten von den Nazis enteigneten Besitz dem österreichischen Staat. Dieser wandelte den Besitz in einen Pensionsfond um und versorgte die ehemaligen Arbeiter mit der gleichen Pension wie die Staatsbeamten.


Die wertvolle Kunstsammlung traf leider ein tragischeres Schicksal. 1938 wurden beim Fluchtversuch von Alphonse und seiner Familie die Kunstsammlungen beider Brüder in das Museum der Stadt Wien gebracht und danach weiträumig verstreut. Der Krieg ließ die Objekte schon bald in Stollen, Klöstern und anderen Zufluchtsstätten verschwinden. Über mehrere Jahre mussten Louis de Rothschild und die Witwe von Alphonse um die Ausfuhr ihrer Sammlungen kämpfen und erst Ende der neunziger Jahre wurde es möglich, zurückgebliebene Objekte wieder an die Familie Rothschild zu restituieren.


Ihr weltumspannendes Imperium, die vernetzten Familienstrukturen und ihre gesellschaftliche Bedeutung machen die Rothschilds noch heute zu einer der bedeutendsten Familien der Welt. Das soziale Engagement der Familie zeigt sich zum Beispiel in der Errichtung eines Kinderheims, einiger Krankenhäuser, Förderungen der Kunst und Ausbildungen und nachhaltiger Forstwirtschaft. Bis in unsere Tage ist die Familie Rothschild ein nicht weg zu denkender Gegenstand der Verehrung im Mostviertel.

Seit 2003 befindet sich das Schloss Rothschild im staatlichen Besitz. Nach der umfassenden Umgestaltung empfangen seine alten Mauern den Besucher mit modernem Innenleben und der gläserne Kubus auf dem Steinturm beeindruckt schon von weitem. Beim Gang durch die Räumlichkeiten kann man die Stadtgeschichte miterleben und im 2. Stockwerk taucht man in die spannende Welt der Spielzeuge. Die Spielzeugsammlung ist wirklich umfangreich und absolut beeindruckend, nicht nur für Kinder, auch bei den Erwachsenen weckt sie wenigstens einen Hauch von Erinnerung. Beim Rundgang durch die endlosen Räume landet man immer wieder im Arkadengang, wo man durch die runden Bogen einen herrlichen Blick auf den Innenhof mit dem kleinen Café und den barocken Turm der Stadtkirche genießen kann.


Die Spielzeugsammlung im Schloss Rothschild


Das 5-Elemente-Museum bringt den Besuchern die Stadtgeschichte Waidhofens durch die Erarbeitung der fünf klassischen chinesischen Elemente Feuer, Wasser, Erde, Holz und Metall näher. Jedes Element wird in einem eigenen Raum in einer eigener Farbe vorgestellt und diese einzigartige Darstellung spricht eindeutig alle Sinne an, was sie zu einer Ausstellung macht, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

Das 5-Elemente-Museum


Zum Schluss habe ich noch den Aufstieg zum Turm gewagt. Die schmale Stiege führt im Kreis über kleine Räume mit einer Folter-Ausstellung. Es gibt Folterkammern, Infotafeln und einige Foltergeräte. Nicht nur die dicken steinernen Mauern sind für die eisige Kälte im Stiegenhaus verantwortlich, auch die schweren Metalltüren und die Folterinstrumente aus rostigem Metall verursachen beim Besucher Gänsehaut. Da kommt ein richtiges Gruselgefühl auf.


Die Folter-Ausstellung


Aber Vorsicht beim Verlassen des angenehm kühlen Stiegenhauses und beim Betreten des Glaskubus. Ich war dort an einem strahlend sonnigen Tag im Mai, bei sehr angenehmen 25 Grad Außentemperatur. Durch die mangelnde Belüftung des Raumes knallt die Sonne mit Vollgas durch die Scheiben und zwischen den Fenstern herrschten sicher 40 Grad plus. Um der Hitze zu entfliehen, eilte ich auf den Balkon und blieb wie verzaubert stehen. Vor mir weitete sich eine traumhafte Aussicht auf die Stadt. Unter meinen Füßen protzte die Pracht der neugotischen Türmchen um den Innenhof mit romantischen Arkaden des Schlosses herum. Dahinter lagen schläfrig die roten Dächer der Bürgerhäuser des Stadtkerns, die schwere Luft flackerte verschwommen über den erhitzten Dachziegeln, und die Türme der Kirchen hoben sich dazwischen in den strahlend blauen Himmel. Auf der linken Seite schlängelte sich die Ybbs faul durch das Stadtbild und verschwand im Hintergrund, wo sanfte, knallgrüne Hügel über der Stadt wachten. Auf der anderen Seite des Aussichtsstegs teilte der Fluss die frühlinghafte Landschaft und die graue Straße aus der Stadt verlor sich zwischen den Wiesen. Unter meinen Füßen verband eine breite Brücke die beiden Flussufer. Mit Wind in den Haaren, der Kamera in den Händen und Liebe im Herzen schweifte mein Blick verträumt über die atemberaubende Silhouette der Stadt mit ihren unzähligen Türmen. Diesen Ausblick trage ich in alle Ewigkeit in meinem Herzen.

Aussicht vom Turm auf Waidhofen und das Ybbs-Tal


Nur mit Wehmut kehrte ich in die Stadt zurück, aber da bekam ich schon Trost und die nächsten Abenteuer warteten auf mich.


Ich ging wieder an der Pfarrkirche vorbei und die lange Straße zurück, wo die Sonnenstrahlen von der vergoldeten Marienstatue auf der Marmorsäule blenden. Am Rathaus und am beeindruckenden Stadtturm vorbei folgen wir jetzt der Straße geradeaus und schon stehen wir bald vor dem Ybbsturm. Er steht mit seiner blass grünen Kuppel wie ein Wächter vor den Toren in die Innenstadt, wird aber gerade renoviert und kann daher leider nicht besucht werden.

Wieder am Stadtturm vorbei zum Ybbsturm


Ich setzte meinen Weg in den Graben fort, wo entlang der Stadtmauern im 17. Jahrhundert die ehemalige Kapuzinerkirche errichtet wurde, heute die Klosterkirche. Nur wenige Meter die Straße runter hebt sich ein weiterer Kirchenturm in den Himmel, diesmal der Bürgerspitalkirche gehörend.

Im 13. Jahrhundert wurde hier vor der Stadtmauer ein Spital gegründet, der gegenwärtige zweischiffige Bau stammt allerdings aus dem 15. Jahrhundert und ist damit die zweite spätgotische Kirche der Altstadt. Von außen fällt vor allem der barocke Turm auf. Seit 2005 wird die Kirche von Katholiken und Protestanten gemeinsam genutzt und inzwischen ist es auch das geistliche Zentrum des Johanniterordens in Österreich.



Die Bürgerspitalkirche


Als man schon denkt, dass noch mehr Romantik kaum möglich ist, entdeckt man direkt am Ufer der Ybbs einen Weg, der tief im Graben des Flusses verläuft und ermöglicht, einen Stück Natur mitten in der Stadt zu entdecken. Auf der anderen Seite der Stadt verbindet die Zeller Hochbrücke mit ihrem markanten Bogen die zwei Stadtteile Waidhofen und Zell. Die 42 Meter lange Stahlbetonkonstruktion bietet auch eine der schönsten Aussichten auf die Innenstadt am linken Ufer.

Waidhofen von der Zeller Brücke


Auf der anderen Seite des Flusses befindest du dich im Stadtteil Zell und wenn du hier nach links zurückgehst, führt die lange Hauptstraße wieder Richtung Schloss Rothschild und bei der Fußgängerbrücke versteckt sich noch ein Juwel.

Das Zeller Schloss wurde als Verwaltungssitz der Herrschaft zu Gleiß im frühbarocken Stil errichtet, als die Bedeutung des Marktes Zell durch die günstige Lage neben Waidhofen immer mehr zunahm. Nach jahrzehntelangem Verfall und einer Generalsanierung beherbergt heute das Schloss ein Luxushotel.


Das Zeller Schloss


Eine traumhafte Aussicht auf das Rothschildschloss begleitet uns auf dem Rückweg in die Innenstadt, wo ich dir einen Blick in die verlockenden Schaufenster der exquisiten kleinen Läden empfehle und du dir endlich eine erfrischende Pause verdient hast. Einige süße, romantische Innenstadt Cafés laden zum Verweilen ein. Es duftet überall nach hausgemachten Mehlspeisen und frisch gemahlenen Kaffeebohnen. Auch ich konnte der Versuchung nicht wiederstehen und bin beim Genuss eines Punschkrapfens dahingeschmolzen. Es fühlte sich wie der Himmel auf Erden an, direkt vor dem bezaubernden Stadtturm zu sitzen, den köstlichen Duft nach Rum zu genießen und einen gut gekühlten Aperol Spritzer zu schlürfen.

Die Köstlichkeiten im Stadtcafe Hartner in der Innenstadt


Nur schwer habe ich mich von der Stadt verabschiedet und ich sah noch lange im Rückspiegel den zahlreichen Türmchen nach, die im roten Licht des Sonnenuntergangs badeten. Die Stadt an der Ybbs verzauberte meine Sinne mit ihrer mittelalterlichen Atmosphäre, mit den einzigartigen Architekturperlen, mit den freundlichen Blicken der Einheimischen, mit dem ständig anwesenden Rauschen des blauen Wassers und mit dem süßen Geschmack der liebevollen Köstlichkeiten, die den Besucher an jedem Schritt durch die märchenhafte Landschaft des hügeligen Mostviertels begleiten.




Eine kurze Beschreibung der Geschichte von Waidhofen/Ybbs


Um 1000 erhielt das Hochstift Freising die Ybbstaler Besitzungen. Die erste Erwähnung des Marktes erfolgte allerdings Ende des 12. Jahrhunderts und um 1300 hatte er bereits ein Stadtsiegel mit dem Mohrenwappen. Den Wappen und seine Bedeutung habe ich schon im Artikel ausführlicher beschrieben. In den darauffolgenden Jahrzehnten erfolgten die Befestigung und Ausbau der Stadt an der strategisch günstigen Terrasse am Zusammenfluss von Ybbs und Schwarzbach. Im 14. Jahrhundert wird das schon recht bedeutende Waidhofen Sitz der Freisinger Pfleger, die das Verteidigungssystem der Stadt modernisierten, unter anderem erfolgte der Bau von 13 Türmen entlang der Mauern.


Ab dem 12. Jahrhundert begann am steirischen Erzberg der Eisenerzabbau. In Waidhofen, an der Kreuzung zweier Handelsstraßen (aus dem Ybbstal bzw. aus dem Ennstal), entwickelten sich die ersten Schmiedebetriebe. Besonders berühmt waren die Qualität des Waidhofner Schwertes und die Produktion von Messern. Damals wurde in dieser Region 10%, und im 16. Jahrhundert sogar 20% der europäischen Eisenproduktion abgewickelt. Waidhofen wurde neben Steyr zum wichtigsten Zentrum der Eisenverarbeitung. Zum Zeitpunkt der Hochblüte im 14. und 15. Jahrhundert waren in der Stadt 200 Schmiedebetriebe und handelten mit den Erzeugnissen nicht nur im gesamten Habsburgerreich, sondern exportierten diese auch über Venedig in den Orient. Zeichen für den Wohlstand dieser Zeit sind die spätgotische Stadtpfarrkirche und die einzigartige Messerer-Monstranz.


Zahlreiche Gefahren bedrohten die Stadt durch die Jahrhunderte. Vor den Mauern kämpften vergeblich die Ungarn, daraufhin fielen auch die Türken ein, wurden aber in die Flucht geschlagen und mussten reiche Beute zurücklassen. Dank der Mittel durch den „Türkenschatz“ wurde der Stadtturm auf 50 m aufgestockt. An diesen ruhmreichen Sieg über die Türken erinnern heute noch viele Traditionen und Spuren in der Architektur der Stadt. Einmal im Jahr findet das „Gassattengehen“ statt, als die „Türkenpfeifer“ die ganze Nacht lang in traditioneller Kleidung durch die Gassen ziehen und mit Musik und Trommeln vor dem Angriff der Türken warnen. Auch eine Stadtturminschrift erinnert an dieses Ereignis: „Im Jahre 1532 schlugen Bürger, Schmiede und Bauern die Türken in die Flucht und erbauten zur Erinnerung diesen Turm“. Eine der 4 Turmuhren zeigt immer 11 Uhr 45 an, das ist die Zeit, an dem der Angriff der Waidhofner auf die Feinde erfolgte. Auch die Turmspitze mit ihrem liegendem Halbmond und dem darüber befindlichen Stern weist auf diese Zeit hin. Der Dachreiter findet sich auch auf vielen Bürgerhäusern.

Im 16. Jahrhundert kam es zum wirtschaftlichen Niedergang der Stadt, der vor allem auf der Bevorzugung der landesfürstlichen Stadt Steyr durch Kaiser Maximilian I. im harten Konkurrenzkampf um die Metallverarbeitung beruhte.


Im Zuge der Reformation fassten durch die Handelsbeziehungen Ideen Martin Luthers schnell in Waidhofen Fuß und Ende des 16. Jahrhunderts war die Stadt großteils protestantisch. Die aufkeimende Gegenreformation nutzend gelang es dem Freisinger Bischof, den Landesherrn auf seine Seite zu bringen und der gesamte protestantische Stadtrat wurde abgesetzt. Vor allem um 1600 wurde die Rekatholisierung durch die freisingischen Pfleger kompromisslos durchgesetzt und viele Schmiedefamilien wanderten in protestantische Gebiete aus. Nahezu die Hälfte der Häuser stand leer.


Im 17. Jahrhundert kam es zu einer Erneuerung des gesellschaftlichen Lebens der Stadt. Bauprojekte aus dieser Zeit sind die Barockisierung der Spitalkirche und der Stadtpfarrkirche, der Anbau der Marienkapelle und die Errichtung der Mariensäule. Auch wirtschaftlich ging es durch die Einführung der wasserkraftbetriebenen Schmiedehämmer, den Umstieg auf die Sensenproduktion und die Einbeziehung Waidhofens in die Nahrungsmittelproduktion für den Erzberg wieder bergauf.


1803 endete die Herrschaft Freisings, und Waidhofen wurde habsburgisch. Die Industrialisierung führte zum Verschwinden der Kleineisenindustrie. Der Umstieg auf Mineralkohle statt Holzkohle, Dampfmaschinen statt Wasserkraft und der Errichtung von Eisenbahnen benachteiligten die Täler abseits der wichtigen Verkehrsrouten und so gehörte die Zukunft Großbetrieben wie den Böhler-Werken.


Im 19. Jahrhundert kam es zum Verfall der Befestigungsanlagen, um der wachsenden Stadt Platz zu machen. Die Bezirkshauptmannschaft wurde nach Amstetten verlegt und als Entschädigung wurde Waidhofen zur autonomen Stadt mit eigenem Statut. Mit der Eröffnung der Kronprinz-Rudolfs-Bahn war der Anschluss Waidhofens an das Eisenbahnnetz der Monarchie vollzogen. Aufgrund des Niedergangs der Eisenindustrie Ende des 19. Jahrhunderts in der Eisenwurzen folgte eine Verarmung der gesamten Region. Die Familie Rothschild wurde zum größten Großgrundbesitzer Niederösterreichs, baute das Schloss Waidhofen auf und finanzierte Infrastruktur-, Schul- und Kulturprojekte. Außerdem wurde sie zum Initiator des Tourismus in der Region, durch Skifahren, Wander- und Radtouren.


Trotz dieses Engagements und des erneuten Aufblühens der Region, wurde sie zur Modellregion des Antisemitismus in Österreich. 1890 wurde in Waidhofen der antisemitische „Waidhofner Verband der wehrhaften Vereine Deutscher Studenten in der Ostmark“ gegründet, um das rassistische Programm umzusetzen. Mit dem „Waidhofner Beschluss“ sollten alle jüdischen Professoren und Studenten aus den Verbindungen ausgeschlossen werden. Theodor Herzl, der allgemein als der Begründer des Zionismus gilt, war ursprünglich deutschnationaler Burschenschafter. Erst als er wegen des Waidhofener Beschlusses aus seiner Verbindung verstoßen wurde, begann er sich für die jüdische Nation einzusetzen und die Gründung eines jüdischen Staates in Israel zu fordern. 1919 marschierten Arbeiter aus dem Ybbstal zum Waidhofner Rathaus und forderten die Ausweisung aller Juden aus der Stadt, dann zogen sie weiter zu den jüdischen Geschäftsleuten und dem Rothschildschloss. Dieses Waidhofner Ereignis wurde als Vorbild für ganz Österreich propagiert.


Der allgemeine Wirtschaftsaufschwung der fünfziger und sechziger Jahre ließ die Stadt aufblühen. Ein großer Wurf war dabei die Gemeindezusammenlegung, als auch endlich die Vereinigung mit dem rechts der Ybbs gelegenen Markt Zell vollzogen wurde. Verbunden durch 7 Brücken war Zell nun die konsequente räumliche Vervollständigung Waidhofens. In den letzten Jahrzehnten spielte der Tourismus eine immer größere Rolle.

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photo lab
photo lab
Nov 04, 2020

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