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Die Zerstörung

  • Autorenbild: jasminatomc
    jasminatomc
  • 28. Juni 2020
  • 11 Min. Lesezeit


Es ist Frühling.

Am hellblauen Himmel hängt die knallgelbe Sonne und wärmt mit ihren Sonnenstrahlen die Landschaft, die gerade erst langsam aus der frostigen Umarmung des Bergwinters erwacht. Der Schnee und das Eis halten sich beharrlich nur noch auf den höchsten Gipfeln der umliegenden Berge fest und baden in goldenen Sonnenstrahlen, dass die glatten, weißen Flächen blendend in der warmen Luft glänzen.

Das Tal unter den Berggipfeln strahlt in einer frühlingsgrünen Farbenpracht. Durch das Tal schlängelt sich ein kristallklarer Fluss und das Wasser hüpft verspielt in kleinen, schäumenden Stromschnellen über graue Felsen. In ruhigen Abschnitten aber, in Türkis grüner Oberfläche, spiegeln sich die Bilder der mächtigen umliegenden Hügel und knallroten Dächer der Dorfhäuser.

Ans Flussufer kuschelt sich ein kleines Bergdorf mit süßen Häusern aus weißem Stein und dunkelbraunem Holz, bedeckt mit roten Dächern. Aus der Mitte des Dorfes hebt sich ein schmaler Glockenturm der Dorfkirche, mit einer Glocke aus Bronze, und der Klang ihres gedämpftes Läutens hallt mit ihrem Echo fröhlich zwischen den steilen, grünen Hängen, die das einsame Tal umgeben. Über dem Flussbett, das sich zwischen den Häusern windet, heben sich hohe, starke Bäume mit dichten, grünen Baumkronen und dicken, festen Zweigen, die mühelos den stürmischen Akrobatikübungen der verspielten Dorfkinder standhalten.

Über dem Dörfchen breitet sich ein flacher Hügel mit einem geraden Plateau aus, der einen klaren Ausblick auf das gesamte Tal bietet, von der weiten, flachen Terrasse bis zur schmalen Schlucht am Übergang zum Gletscher auf den steilen Berggipfeln auf der anderen Seite des Tals und dazwischen quert das Tal die Bergkette, wo sich direkt unten das kleine Dorf dicht an den Fluss drängt. Das Plateau bedeckt eine umfangreiche Wiese, die vom Frühling reichlich mit weichem, sattgrünem Gras beschenkt wurde, das den Boden wir ein edler Samtteppich bedeckt. Bunte Blüten schmücken die Wiese und locken mit ihrem süßlichen Duft zahlreiche Insekten zu Besuch. Goldgelbe Sonnenstrahlen streicheln warm die Blüten in allen möglichen Farben und Blätter der hellgrünen Gräser, sie spielen ungezogen zwischen den Zweigen in den dichten Baumkronen und verstecken sich in den strahlenden Blüten der Obstbäume, die bereits voll in weißen, rosa oder zartblauen Farben prahlen. Die niedrigen Büsche zeigen überheblich ihre schönsten, stolzen gelben und wildroten Farben.

Die gesamte Naturlandschaft befindet sich in voller Blüte, die Welt der Lebewesen erwacht und beginnt ein neues Leben, einen neuen Lebenskreis, der Himmel strahlt blau und ohne eine einzige Wolke. In den Baumkronen spielen die Vögel fangen und singen wunderschöne Melodien und bewirken dadurch ein einzigartiges Orchester mit einem unvergleichlichen Konzert, die Lieder hallen von den Berghängen in die weite Ferne. Dem melodischen Zwitschern gesellt sich auch das Summen der fleißigen Bienen, die von Blüte zur Blüte umherschwirren und den zuckersüßen Nektar sammeln. Doch den Hauptakkord der harmonischen Melodie der Natur fügt der sanfte Wind hinzu, der ganz leicht die Grasblätter schaukelt und die Blätter auf den Baumzweigen wirbelt.


Mitten in diesem Paradies auf Erden in der Stille der Natur taucht auf einmal ein Mensch auf – ein zartes und zerbrechliches weibliches Wesen in einem dünnen, eng anliegenden Kleid mit einem langen Rock. Mit kleinen, bloßen Füßen geht sie leicht auf dem weichen, grünen Rasen und schneeweiße Fußgelenke sinken zwischen die wie Samt feine Gräser. Zarte, schlanke Arme winken in der Luft und lange, glänzende Haare in Farbe des Wüstensands fliegen weich in Wellen hinter ihr in dem frischen Frühlingswind. Sie tanzt verträumt zum Lied des Vogelgesangs und des Windrauschens und der lange, wellige Rock tanzt um ihre schlanken, weißen Beine herum. Das herzförmige Gesicht des Mädchens strahlt eine frische, fröhliche Jugend hinaus, die hellen, warmen, blauen Augen spiegeln eine kindliche Unschuld und pure, unberührte Freude zum Leben. Ein breites Lächeln auf den vollen, glänzenden, roten Lippen erstrahlt das glatte, liebliche Gesicht und deckt eine Reihe voller schneeweißer Zähne frei. Ihre Wangen sind rötlich angelaufen und erhellen eine innere Schönheit und selige Ruhe, die aus jeder zarten Bewegung des sanften, schlanken Körpers hinausstrahlt. Die Sonnenstrahlen umkreisen den Kopf des Mädchens mit einem goldenen Glanz, wenn sie sich in ihren hellen Haaren verfangen.

Auf der anderen Seite des grünen Plateaus taucht eine weitere Figur auf, ein hoher, gut aussehender Jüngling. Mit einem entschlossenen und festen, aber doch immer noch leichten Schritt geht er dem Mädchen entgegen. Ein weißes, kurzes Hemd überdeckt breite Schultern und eine schlanke Figur. Seine warmen, hellblauen Augen beobachten liebevoll das Bildnis des Mädchens in ihrem weißen Kleid, in seinem sanften Blick spiegeln sich Freundlichkeit und unschuldige Freude wider. Mit einer verspielten Bewegung entfernt er sich eine Locke der hellen Haare von der Stirn und ein weites Lächeln zeigt süße Löcher in seinen glatten Wangen.

Auf einmal breitet er einladend seine Arme aus, das Mädchen läuft ihm mit einem entzückten Lächeln entgegen und der junge Mann schließt sie warm in eine herzliche Umarmung, gefüllt mit liebevoller Zärtlichkeit und ehrlicher Liebe. Sie gibt sich vertrauensvoll dem Schutz seiner starken Armen hin und schließt genussvoll die Augen, genau wissend, dass sie bei ihm sicher ist.

Das Bild des jungen, verliebten Paares in einer hingebungsvollen Umarmung schenkt der erwachenden Natur den letzten Schliff der Vollkommenheit und den Puls des lustvollen Lebens, ihre helle Kleidung ergänzt die Frühlingslandschaft mit Unschuld und Liebe, die für ein üppiges Leben jeder Zelle in den Pflanzen und Tieren als ein wesentlicher Bestandteil absorbiert wird.

Ihre Blicke treffen sich und strahlen Vertrauen und pure Liebe tief in ihre jungen Herzen hinein. Ihre weichen, roten Lippen vereinen sich in einem süßen, schüchternen Kuss, bis sie sich mit erröteten Wangen fast atemlos wieder trennen und schauen sich verliebt tief in die Augen. Die selige Stille der Natur wird einzig von leisen, zurückhaltenden Liebeserklärungen unterbrochen, ganz vorsichtig ausgesprochen, im Flüstern, damit sie sich nur in ihre zitternden, unerfahrenen Herzen eingraben. Hand in Hand gehen sie langsam auf der Wiese, mit bloßen Füßen genießen sie die streichelnde Sänfte der grünen Gräser. Warme Sonnenstrahlen streichen ihre schlanken Körper und spielen in den Strähnen ihrer hellen Haare, gleichzeitig aber zünden sie Feuer und Flamme in ihren mit Liebe und Lebensfreude erfüllten Herzen. Sie lachen leise und immer wieder treffen sich ihre Blicke von der Seite, aber sie wenden sie gleich wieder verlegen ab und tauschen sich stattdessen ein verführerisches Lächeln ab.

Das Tal unter ihren Füßen strahlt im warmen Frühlingsmorgen, die Vögel singen gemeinsam mit den Kirchenglocken, der ganze Talboden wird von Glück und Liebe ausgefüllt, die sich in süßlich aromatischen Duft der Blumen und in der abgestimmten Farbharmonie spiegeln.


Doch weit hinter den Bergen, in einer ahnungslosen Ferne der weit entfernten, schwindelerregend hohen Berggipfel taucht ein dünner, schwarzer Streifen auf dem unberührten hellblauen Himmel auf.

Er fällt niemandem auf, niemand bemerkt ihn, niemand kümmert sich um die Gerüchte, die ihn begleiten, aber in dieses entlegene Paradies noch nicht durchdringen können. Fast unbemerkbar, zieht keine Aufmerksamkeit auf sich, doch der Streifen ist da. Dünn und winzig, weit weg auf der anderen Seite der steilen Bergpässe und wie Nadel scharfen Berggipfel, bedeckt mit weißem Schnee und ewigem Eis. Der Lärm der dünnen, schwarzen Linie kämpfte sich noch nicht über schwer begehbare Bergwege hindurch, die zum stillen, ruhigen, einsamen Bergdorf führen, umgeben mit grünen Wiesen auf flachen Hügelhängen.

Doch der schwarze Streifen weitet sich aus. Aus der dünnen Linie weitet er sich in ein kleines Wölkchen aus, schwarz wie die dunkelste Nacht ohne Mondlicht und ohne Sternenlicht. Aus der endlosen Ferne nähert er sich den mit Schnee bedeckten Berggipfeln, die das Dorf und das traumhafte Tal beschützen. Und ganz leise, kaum hörbar, wird er von einem gedämpften Donner des Gewitters begleitet. Von weit fern, immer noch schenkt ihm niemand wirklich die geringste Aufmerksamkeit, klingt er wie ein weit entfernter Gewitter im Nachbartal, von wo er keinen Einfluss auf den Frieden und die Harmonie des süßen Dorfes in all ihrer Seligkeit und Reichtum haben kann.

Doch das Gewitter kommt immer näher. Unaufhaltbar zieht es sich über die scharfen Gipfel der umliegenden Berge und schließlich überwindet es tatsächlich auch den höchsten Gipfel und streckt langsam, aber gewiss, seine langen, schwarzen Finger nach dem Tal hinaus.

Die schwarze, bedrohliche Gewitterwolke verdeckt langsam, aber unaufhörlich die Sonne am Himmel. Stück für Stück schluckt sie die hellen Sonnenstrahlen, die nicht mehr durch die dicke, bösartige Masse hindurchdringen können. Das Tal bedeckt langsam, aber gewiss ein dunkler, kühler Schatten. Aber niemand versteht was geschieht, keiner kennt den Grund, keiner weiß, warum der ruhige Frühling plötzlich in Angst, Entsetzen und Verwirrung der friedlichen Einwohner des himmlischen Tals endet. Die Bewohner sind vollkommen verängstigt, die Freude in ihren Herzen wird durch Furcht und Horror vor unbekannten Ereignissen und bösartigen Vorahnungen ersetzt.

Die Sonne verschwindet endgültig und das gesamte Tal versinkt in einer depressiven Finsternis, die lebendige, strahlend grüne Farbe der Wiesen verwandelt sich in eine dunkle, militärgrüne Farbe, die roten Dächer der Dorfhäuser erhalten einen braunen Farbton. Die Wärme der Frühlingssonne wird von einem kühlen Schatten verdrängt, der in jedes noch so heiß verliebtes Herz die eisige Kälte einnistet. Tief über dem Tal hängt eine schwere, schwarze Wolke und versinkt jede Laune in tiefe Depression und löst eine bedrückende Angst vor einem nichts ahnenden Entsetzen aus, der von dem Lärm hinter den Bergen angekündigt wird, der sich aber beharrlich über die hohen Gipfel dem Tal nähert.

Die schwarze Wolke ist da.


Mit ihr kommen das Gewitter und der Lärm an und unterbrechen gnadenlos die Ruhe und die Stille im Paradies. In der schweren Luft lauert immer noch eine schmerzhafte, bedrückende Stille. Und dann schlägt es zu.

Ohne Vorwarnung, ohne vorher die bedrohenden Vorahnungen zu bestätigen, schlägt es zu. Durch die dicke, verdunkelte Luft fliegt plötzlich ein blendender Blitz, in einem strahlend hellen Bogen umkreist er das Tal und lässt sich auf dem gegenüberliegenden Hügel nieder. Die Zeit bleibt für einen kurzen Moment stehen, als sich eine bedrohende Stille ausbreitet. Dann passiert es.

Eine ohrenbetäubende Explosion erschüttert den Boden, der in einem alles zerstörenden Erdbeben ins Wanken gerät, ein riesiges Feuer erhellt das gesamte Tal und wirft das zu Tode erschrockenes Dorf im Talboden auf die Beine. Ein lauter Donner hallt von den Bergen, dass Felsen von den scharfen Wänden abbrechen und in zerstörenden Lawinen ins Tal rollen. Der ersten Explosion folgt sofort die zweite, die mit betäubendem Lärm bei den zu Tode verängstigten Bewohnern für Herzstillstand sorgt.

Mit dröhnendem Donner taucht von den Berggipfeln ein enormer Schwarm stählerner Vögel auf, der vollkommen schwarz den Himmel verdeckt. Die Motoren brüllen bedrohlich und dann wird ein Bombenhagel aus den Rümpfen der Militärflugzeuge ausgeworfen. Unendliche Mengen an Bomben werden gleichzeitig ausgeschüttet und nähern sich gnadenlos dem kleinen Dorf. Endlich berührt eine nach der anderen den Boden. Ein unvorstellbarer Lärm füllt das entlegene Tal, vom Boden hebt sich ein schwarzer Rauch und aus ihm schießen einzelne Flammen knallroten Feuers in die Höhe. Die Bomben fallen unaufhörlich weiter und hinterlassen eine endgültige Zerstörung und einen unfassbaren Schaden. Die Zeit scheint aufgehört haben zu existieren. Es gibt kein Heute mehr, der gestrige Tag existiert nicht mehr, es gibt kein Morgen mehr. Es gibt nur noch die unendliche, erstickende Dunkelheit, das heiße, rote Feuer, Gestank, ohrenbetäubenden Donner, den Schmerz.

Die Weltkatastrophe hat auch das Bergparadies erreicht und hat überhaupt keine Absicht, ihn auch im Geringsten zu verschonen. Der Krieg.


Eine unvorstellbare Ewigkeit ist vergangen. Der schwarze, stinkende Rauch verraucht, wilde Feuerflammen legen sich wieder, der Lärm lässt langsam nach, stählerne Vögel verlassen die Wolke auf dem verdunkelten Himmel. Die Landschaft nach dem Angriff wird gnadenlos entblößt. Offen und nackt liegt sie da und der Anblick ist unbegreiflich.

Weichen Rasen und grüne, blühende Almen werden von einer schwarzen, verbrannten, nackten Fläche ersetzt, die fruchtbare braune Erde liegt zerschmettert in klebrigen Haufen herum. Der Boden ist ausgegraben, übersät mit Löchern, scharfen Steinen, zerhackten Felsbrocken, zerfetzten und kaputten Stahlteilen und zerrissenen Zweigen. Die früher hohen, mächtigen, aufrechten Bäume stehen jetzt schief, verbrannt, von ihren nackten Zweigen steigt Rauch auf. Von den stolzen Eichen mit gesunden, braunen Stämmen und dichten, grünen Baumkronen sind nur noch schwarze, verkohlte, gebeugte, verfallende Schatten der ehemaligen Bilder übrig geblieben. In der gesamten Landschaft ist kein einziger Fleckerl Grün übrig geblieben, keine einzige kleine Blume hat die Demolierung überlebt, kein einziger grüner Grashalm, die Zerstörung ist total. Alles früher blühende und deftige ist verschwunden, ist in die Dunkelheit gesprengt worden, und wurde von schmutzigem, stinkendem Schlamm überdeckt.

Der Fluss, der größte Stolz des Bergtales, fließt jetzt langsam, mühsam, von dem kristallklaren Wasser ist keine Spur geblieben. Jetzt füllt ihr Flussbett eine dicke, zähe Flüssigkeit, die stinkende braune Brühe ist mit rotem Blut gefärbt, das sich von den Ufern in Bächen ins Flussbett und die Hügel runter ergießt. Das Blut fließt von überall, in Bächen, in Strömen, in Flüssen, die Luft stinkt nach Blut.

Die weiten Felder sind grauenvolle Schauplätze grausamer Schlachten. Im Schlamm und schmutzigem Wasser liegen zerfetzte, zerrissene, mit Blut überdeckte Leichen der Soldaten und unschuldiger Zivilisten, alle untereinander vermischt in einem gemeinsamen tödlichen Schicksal. Die einmal fruchtbare Erde saugt unzählige Liter vergossenen Bluts auf, die aus Millionen Wunden fließen, mit denen erschöpfte, bewegungslose, sterbende Körper übersät sind. Mit dem Blut fließt noch der letzte überbleibende Rest des Lebens aus dem Tal. In die Tiefen der Erde fließt unaufhaltsam ein Leben nach dem anderen ab, das Leben, das nie wieder zurückkehren wird und das nur riesige Haufen unbeweglicher, schlapper, toter Körper zurücklässt, die schon begierig von Geiern, den einzigen noch übrig gebliebenen Lebewesen im Tal, ungeduldig beobachtet werden, von den Geiern, die sich ungeheuer über ein Festmahl freuen. Der Mensch, das grausamste Tier auf der Welt, hat ihnen selber ein Gemetzel serviert.

In der Mitte der Szene liegt das Dorf – jedenfalls das, was von dem süßen, ruhigen Dörfchen am Fluss übrig ist.

Jetzt liegt dort ein Haufen rauchender Trümmer, die Gebäude brechen immer noch in sich zusammen. Der Glockenturm einst weißer Dorfkirche ist in der Explosion durchgebrochen, ist auf die Seite gekracht und liegt jetzt zerschmettert mitten auf dem ehemaligen Markt. Der Markt wurde von zahlreichen Haufen zerstreuter Steine von der Kirche und den herumliegenden Häusern überschüttet, die ganze Menschenmengen unter sich begraben haben. Die brennenden Dächer sind jetzt nur noch vom Feuer rot gefärbt und fallen in sich selbst zusammen. Untern den zertrümmerten Gebäuden löschen immer mehr Leben aus, junge und alte, und das Feuer verschluckt langsam, aber bestimmt das ganze Dorf und zerstört alle Lebensräume und Heime, die die Bombardierung und den Beschuss doch irgendwie durch ein Wunder überstanden haben. Jetzt fallen auch diese Häuser dem wild wütenden Feuer zum Opfer.

Die stinkende, brennende Luft wird von ohrenbetäubenden Schreien der Sterbenden, Verletzten, Eingefangenen, Feststeckenden und vom Weinen der Kinder erfüllt. Die verzweifelten Rufe der Frauen, die ihre Männer, Freunde, Liebhaber, Söhne, Väter und Großväter verloren haben, ertönen herzzerreißend in den Himmel hinauf, doch sie bleiben unerhört, jeder Dorfbewohner leidet seinen eigenen Schmerz und sein eigenes Unglück allein, die Verluste sind unbeschreiblich unerträglich. Doch die einzelnen Tode verblassen in der Gesamtkatastrophe, der Schock steckt noch zu tief in den Knochen.


Hoch über der vollkommenen Zerstörung hebt sich noch immer der Hügel der Liebe, genau dort wo er war, mit dem Plateau und den Baumresten, über ihm steigt noch immer der verschneite Berggipfel steil in die Höhe. Die Vögel liegen jetzt zwischen den entwurzelten Wurzeln der verkohlten Bäume, die fröhlichen Melodien sind für immer und ewig in ihren Schnäbeln verklungen, als sie tot von den brennenden Zweigen der zerschmetterten Bäume fielen. Der matschige, schlammige, ausgegrabene Boden ist mit durchlöcherten Leichen, abgerissenen und zerfetzten Gliedmaßen, die ihren Eigentümer verloren haben, und mit nicht wiedererkennbaren Körperteilen bedeckt. Gedärme liegen in der schwarzen Erde, vermischt mit Schlamm und vertrocknetem Blut. Unmengen an frischem, warmen, rotem Blut fließen die Felsen hinunter, auf Felsen, schwarz gefärbt von unzähligen Explosionen.

Mitten in dieser Zerstörung taucht der lustige, verliebte Jüngling auf. Seine helle, sommerliche Kleidung hat er mit einer schmutzigen, grün-braunen Militäruniform getauscht, die jetzt mit stinkendem, schwarzem Schlamm und dunklem Blut bedeckt ist. Auf der anderen Seite der Wiese stolpert schwach das Mädchen, weinend, ihr blasses Gesicht ist verschmiert mit nassen Tränen, Schlamm, Erde und Rauch. Ihr dünnes Frühlingskleid ist schmutzig, zerrissen, die Ränder des Rocks sind zerfetzt, der feine Stoff ist mit ihrem eigenen und fremden Blut durchtränkt. Verloren und verwirrt läuft sie auf dem Schlachtfeld herum, die mit Schlamm bedeckten, klebrigen Haare hängen ihr in zerfetzten Strähnen vom Kopf.

Endlich findet sie den jungen Mann. Verzweifelt klammert sie sich an ihn, in ihren Augen spiegeln sich pures Entsetzen, Angst und Verzweiflung. Doch er schiebt sie grausam von sich, hebt den Arm und schlägt sie mit ganzer Kraft. Das Mädchen stolpert zurück, heißes Blut überströmt ihr das Gesicht. Seine Augen sind kalt und gnadenlos. Keine Spur von Liebe mehr. Keine Zärtlichkeit. Von beiden ist nichts mehr geblieben.

Dann hebt er das Gewehr und schießt dem Mädchen mitten in die Brust. Ihre schlanke Figur bricht sofort zusammen und das Mädchen bleibt bewegungslos im dichten Schlamm liegen, während rotes Blut aus ihrem zarten Körper strömt und die durstige, schwarze Erde durchtränkt.

» Verräterin! « zischt der junge Mann und stürzt sich mit einem siegreichen Aufschrei den aufrollenden Panzern am anderen Ende des Tals entgegen.



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